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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.05.2002

Templerhaus und ein Kreuz gegen Spukgestalten

Kulturrundweg "Am Weißen Leimen" zwischen Kleinwallstadt und Eichelsbach wird eröffnet

Kreis Miltenberg Mit drei geführten Sternwanderungen wird der Kulturrundweg "Am Weißen Leimen" morgen eröffnet: Start ist um 9 Uhr an der Eichelsberghalle in Eichelsbach, um 9.30 Uhr am Birkenhof bei Kleinwallstadt und um 10 Uhr an der neuen Kirche in Hausen. Am Ziel, der Kirche in Hofstetten, wird kurz nach 12 Uhr im Beisein der Landräte der Kreise Miltenberg. Main-Spessart, Main-Kinzig und Aschaffenburg sowie des Aschaffenburger Oberbürgermeisters eine der insgesamt elf Schautafeln des Rundwegs enthüllt.

Die Tafeln wurden erstellt vom Archäologischen Spessartprojekt unter der Leitung von Gerrit Himmelsbach und enthalten neueste Erkenntnisse über die 7500 Jahre alte Geschichte, Geologie und Kultur des Landstrichs, der geprägt ist vom "Weißen Leimen", einem hellen Graulehm.

Der mit dem gelben Europa-Schiffssymbol auf blauem Grund markierte Rundweg ist 25 Kilometer lang. Weniger geübte Wanderer können den reizvollen Höhenzug zwischen Kleinwallstadt, Hofstetten, Hausen und Eichelsbach auch in drei Etappen von sieben, neun und elf Kilometer Länge erkunden. Die nach Aussagen von Himmelsbach wohl interessanteste Station, das sogenannte Templerhaus gegenüber der Kirche im Ortskern von Kleinwallstadt, steht am Anfang der grün eingezeichneten Route "Vom Templerhaus zur Waldenburg".

Teile des malerischen Hauses in der Markstraße 13 in Kleinwallstadt, etwa der Keller mit Brunnen und auch der inzwischen zugeschüttete unterirdische Gang zur Kirche gegenüber, stammen aus dem Mittelalter. Sie sind viel älter, als es die in einen Fensterstock eingemeißelte Jahreszahl 1567 vermuten läßt: Himmelsbach nimmt an, daß das Haus - es befindet sich derzeit in Privatbesitz - zu einem Kloster des Templerordens gehörte. Der Orden, der zwar kein Geheimbund war, um den sich aber viele geheimnisvolle Geschichten rankten, war Anfang des zwölften Jahrhunderts in Frankreich gegründet und rund 200 Jahre später von Papst Clemens V. wieder aufgelöst worden.

Auf einem Ortsplan von Kleinwallstadt aus dem 18. Jahrhundert ist das als solches bezeichnete Templerhaus als einziges Steingebäude neben dem damaligen Kirchenbau eingetragen. Die Tatsache, daß auf dem Plan auch ein Vorgängerbau der heutigen Ölbergkapelle hinter dem Kirchhof mit seinen Priestergräbern eingezeichnet ist, wertet Himmelsbach als weiteres Indiz für die Existenz eines Templerklosters in Kleinwallstadt. Der Historiker hofft, bald neue Erkenntnisse aus den Mainzer Lehensbüchern gewinnen zu können, die bislang nach seinen Worten "sehr stiefmütterlich behandelt" und unausgewertet an der Würzburger Universität aufbewahrt werden.

In das Reich der Sage gehört laut Himmelsbach aber die Vermutung, es habe einen Geheimgang zwischen dem Templerhaus und dem "alten Schloß" bei Kleinwallstadt gegeben. Die Überreste dieser "Waldenburg" bilden eine der vier Stationen auf der grünen Route. Die wurde im späten zwölften Jahrhundert von den Mainzer Erzbischöfen errichtet.

"Kunst und Kirchen" lautet das Motto der zweiten, gelb eingezeichneten Etappe des Kulturrundwegs. Sie beginnt an der 1453 erbauten Kirche in Hofstetten, einem der wenigen evangelischen Dörfer im bayerischen Spessart. Die Muttergotteskapelle in Hausen, der nächsten Station, liegt an dem heute noch regelmäßig benutzten Wallfahrtsweg von Aschaffenburg nach Walldürn. Die Kapelle soll einer Sage aus dem 18. Jahrhundert zufolge nach einer Teufelserscheinung erbaut worden sein. Die Hausener Kirche, weiterer Halt an der gelben Route, stammt aus dem 17. Jahrhundert und beherbergt heute das Künstleratelier des Bildhauers und Malers Konrad Franz.

Auf den Spuren der Stein- und Bronzezeit wandern Interessierte auf der rot eingezeichneten Etappe "Die Eichelsbacher Paßhöhe". Der Boden rings um die Eichelsbacher Kirche ist nach Aussagen von Himmelsbach bereits seit 7500 Jahren vom Menschen besiedeltes Kulturland: Auf der nahe gelegenen Eichelsbacher Paßhöhe wurden mehr 120 Feuerstellen aus der Mittelsteinzeit entdeckt - leider schon vor über 100 Jahren von einem Freiherrn von Haxthausen, seines Zeichens "Raubgräber", der seine Funde nach Berlin und München übereignete. Nun ist es Himmelsbach gelungen, die 5000 Jahre alten Zeitzeugnisse wieder an den Bayerischen Untermain zu holen: Sie werden derzeit im Elsenfelder Heimat- und Geschichtsmuseum ausgestellt.

Das Hochkreuz im Kinzbachgrund, die zweite der drei Stationen auf der roten Route, erinnert an einen Rechtsstreit zwischen Forstverwaltung und katholischer Kirche. Um 1860 soll ein Bäckerlehrling angeblich vom Geist der letzten Bewohnerin eines 1666 verödeten Dorfes, der "Kinzbachfrau", heimgesucht worden sein. Zu Geld gekommen, stiftete der Bäcker 20 Jahre später ein Kreuz gegen den Spuk. Da die Forstverwaltung die Aufstellung nicht zulassen wollte, konnte dieses erst nach dreijährigem Rechtsstreit geweiht werden.

 

Der Kulturrundweg führt Wanderer zu historischen Stätten wie dem Templerhaus in Kleinwallstadt.

Foto Andreas Peir


 

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