Das Archäologische Spessartprojekt hat Besuch von einer Delegation aus Estland - Meteoriteneinschlag in Siedlungsgebiet
SPESSART (sx). Das Archäologische Spessartprojekt hat zur Zeit Besuch aus Estland. Ants Kraut und Helle Solnask, der Chefinspekteur und die Verantwortliche für die internationalen Beziehungen des Estnischen Büros für das nationale kulturelle Erbe sind gekommen, um sich mit dem Spessartprojekt über Ideen für Projekte und die Arbeitsweise des Partners auszutauschen. Das Archäologische Spessartprojekt arbeitet im Rahmen der europaweiten Partnerschaft "European Pathways to Cultural Landscapes" (Europäische Wege zu Kulturlandschaften) mit dem estnischen Kaali-Projekt zusammen. "In unseren Projekten geht es um die Erschließung von Landschaften, die noch nicht völlig touristisch durchformt sind", erklärt Harald Rosmanitz vom Archäologischen Spessartprojekt. Im Fall des Kaali-Projekts ist das die Insel Saaremaa, sie liegt rund 50 Kilometer vor Sankt Petersburg. Ants Kraut zu Saaremaas großer Besonderheit: "Auf der Insel schlug der letzte große Meteorit ein, der zu historischer Zeit auf besiedeltem Gebiet nieder ging. Nach neuesten Datierungen geschah das zwischen 800 und 400 vor Christus." Saaremaa zeige damit auf einzigartige Weise den Einfluss einer großen Katastrophe auf eine Kulturlandschaft. Ähnlich dem Spessartprojekt, wolle seine Einrichtung die Geschichte der Insel, die in den verschiedenen Epochen völlig unterschiedliche Wendungen nahm, dem sanften Tourismus zugänglich machen. Vorbild ist zum Beispiel der Bieberer Kulturwanderweg. Ihn besuchten Ants und Solnask. Das GT traf beide in der Lochmühle, wo das Senckenbergische Institut seine Forschungsstation für Mittelgebirge betreibt. "Die Arbeit, die hier geleistet wird, zu sehen, ist sehr beeindruckend", sagt Helle Solnask.
Das Bild vom Spessart prägt heute der Wald und seine Romantische Verklärung
der sich das 19. Jahrhundert hingab. "Die wenigsten wissen, dass die Landschaft
zeitweise so dicht besiedelt war, dass es fast keinen Wald gab", gibt Harald
Rosmanitz zu bedenken. Ähnlich liege der Fall in Saaremaa. Helle Solnask
erklärt: "Heute sehen die Leute, dass die Insel praktisch nicht besiedelt
ist und denken, das sei von Natur aus so." Dabei liege es viel mehr daran,
dass die Insel über Jahrzehnte als sowjetischer Militärstützpunkt
herhalten musste.
Hier enden allerdings nicht die Gemeinsamkeiten zwischen der estnischen Ostseeinsel
und dem waldreichsten Gebiet Deutschlands. So gab es auf Saaremaa im 14. Jahrhundert
eine Eisenverhüttung, die aber anders als in Bieber mangels Holz mit Torf
befeuert wurde. Zeugnis dieser Zeit sei organisches Material, Baumstämme
und ähnliches, die sich in einer sechs Meter dicken Schicht am Boden des
Kaalisees, der den Hauptkrater füllt, abgelagert hätten. Diese Schicht
wartet nur darauf, von Forschern entdeckt zu werden. Helle Solnask erklärt:
"Am Rand des Sees gab es eine befestigte Siedlung. Für ihre Bewohner
stellte der See eine Kultstätte dar." Ants Kraut erklärt die
Arbeitsweise der Forscher: "Wir nehmen Probebohrungen vor." Die Ausgrabungen
seien technisch sehr aufwändig und auch gefährlich. Aus dem Seeboden
kommen giftige Gase. Helle Solnask erzählt von Todesfällen: "Zur
Zeit der letzen Jahrhundertwende ließ ein Großgrundbesitzer seine
Arbeiter Schlick aus dem See holen, weil er damit seine Felder düngen wollte.
Die Arbeiter starben bei dem Versuch."
Spessart- wie Kaaliprojekt fördert die Europäische Union mit ihrem
Programm "Culture 2000". "Die EU sieht das Archäologische
Spessartprojekt als eines der besten an, das sie in diesem Rahmen fördert",
erwähnt Harald Rosmanitz nicht ohne Stolz. Im Herbst 2003 stellen sich
die Projekte im Rahmen einer großen Ausstellung in Brüssel vor. Rosmanitz:
"Auf diese Weise macht unsere Arbeit den Spessart in ganz Europa bekannt."
Auch hiesige Geschichtsinteressierte sollen sich die Früchte der Arbeit
der Archäologen anschauen können. Für den Sommer 2003 ist eine
Ausstellung mit verschiedenen Exponaten aus Saaremaa, darunter Stücke des
Meteoriten, in Frammersbach geplant.
Arbeiten zusammen (von links): Dr. Peter Haase, Leiter der Senckenbergischen Außenstelle, Jürgen Jung, Helle Solnask, Harald Rosmanitz und Ants Kraut. Bild: sx |