Press Comments


Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.2002

Kulturwanderweg mit Brunnenstube

Bedeutendes technikgeschichtliches Denkmal - Morgen feierliche Eröffnung

Haibach/Aschaffenburg Das älteste Bauwerk von Haibach - eine restaurierte Brunnenstube aus Sandstein - wird morgen um 10 Uhr gemeinsam mit dem Haibacher Kulturwanderweg feierlich eröffnet. Der etwa drei Kilometer lange Weg mit seinen fünf Stationen ist eine Einrichtung des von der europäischen Union geförderten archäologischen Spessartprojekts. Die Brunnenstube liegt inmitten eines völlig neu gestalteten Geländes am Ende der vom Sponackerweg abzweigenden Sackgasse. Kardinal Albrecht von Brandenburg, der auch Kurfürst von Mainz war, hat sie 1525 als damals hochmoderne Trinkwasserversorgungs-Anlage für das Aschaffenburger Schloß einrichten lassen: In der über einer Quelle nahe dem Haibacher Wendelberg errichteten Brunnenstube konnte sich das Wasser sammeln und enthaltenen Schmutz absetzen, bevor es durch Holz-, später Tonrohre hinunter zum Schloß Jobannisburg floß.

Bis Ende der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte sie gemeinsam mit zwei später gefaßten Quellen am Büchelberg nicht nur die Schloßbewohner mit Wasser versorgt, sondern unter anderem die Englischen Fräulein, die Schlappeseppelbrauerei, das Ritualbad der Synagoge und das Kapuzinerkloster.

Um 1960 wurden auf dem Gelände um die Brunnenstube große Mengen von Bauschutt abgeladen. Bis in die neunziger Jahre hinein war es schließlich vollständig von Pflanzen überwuchert. Nur eine kleine Ecke Mauerwerk ragte aus der Erde, als der vor fünf Jahren gegründete Heimat- und Geschichtsverein Haibach-Grünmorsbach-Dörrmorsbach auf das wertvolle Baudenkmal aufmerksam wurde und beschloß, es zu erhalten.

Daß der Kulturweg eine Attraktion wie die Brunnenstube - sie zählt zu den bedeutendsten frühneuzeitlichen technikgeschichtlichen Denkmälern in Bayern - vorweisen kann, ist nach den Worten von Projektleiter Gerrit Himmelsbach dem „vorbildlichen“ Einsatz zahlreicher Institutionen zu verdanken, allen voran dem Heimat- und Geschichtsverein unter der Leitung von Albin Blatt. Die Gemeinde Haibach hat die Anlage bepflanzen lassen. Weitere Förderer waren außer der Stadt Aschaffenburg und zahlreichen Geschäftsleuten der Region der Verein zur Erhaltung und Pflege der Kulturdenkmale im Landkreis Aschaffenburg unter dem Vorsitz von Peter Körner und die Aschaffenburger Meisterschule für Steinmetzen.

Bei allem Interesse für die Brunnenstube sollte nach Himmelsbachs Meinung nicht vergessen werden, daß es auch an den übrigen Stationen des Kulturwegs Außergewöhnliches zu entdecken gibt. Der Pfad beginnt am Eingang zur Haibacher Schweiz an der Ringwallstraße, wo sich ein Wanderer-Parkplatz befindet. An der ersten Station informiert ein Schild über das stadtnahe Spessartdorf Haibach mit "Ritter, Fürst und Wellekipper". Die Haibacher hießen früher Wellekipper, weil sie gern altes Holz im Wald sammelten und es zu großen Bündeln, "Wellen", verschnürten.

Um die "Ketzelburg" aus dem Hochmittelalter an der zweiten Station rankten sich bis in die Neuzeit Legenden. Heute ist die Entstehungsgeschichte des Bauwerks dank geophysikalischer Untersuchungen so weit enträtselt, daß eine idealisierte Rekonstruktion auf Papier erstellt werden konnte.

Der Weg führt vorbei an einem hohen Sandsteinkreuz aus dem Jahr 1844, um das herum die Gemeinde 1945 einen Soldatenfriedhof für die im Haibacher Lazarett Verstorbenen anlegen ließ. Die moderne Aussegnungshalle des benachbarten Friedhofs ist ebenfalls ein Denkmal: für den "Haibacher Blauen", einen begehrten Stein, der beim Bau der Halle zum letzten Mal verwendet werden konnte, weil sein Vorkommen erschöpft ist.

Haibach ist eine Gemeinde der Steinbrüche und auch der gefragten Bauhandwerker, die bis vor dem Zweiten Weltkrieg in ganz Deutschland Beschäftigung fanden. Der aufgelassene Wendelbergsteinbruch, die fünfte Station nach der Brunnenstube, soll daran erinnern. Die hoch aufragenden Felswände des früheren Steinbruchs umsäumen heute ein idyllisches Feuchtbiotop.

 

Neu gestaltet wurde das Gelände rund um die Brunnenstube, die 1525 eine hochmoderne Trinkwasserversorgungsanlage war.
Foto Wohlfahrt


 

This document has been printed from http://www.pcl-eu.de/

© 2003 Pathways to Cultural Landscapes

With the support of the Culture 2000 programme of the European Union