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Main Echo, 21.01.2004

Bodenschichten offenbaren Geschichte: Lackfilmprofil am Schloss Wiesen erstellt

by Doris Pfaff


Reihenfolge von Zerstörung und Wiederaufbau wie in einem offenen Buch zu sehen

Wiesen. Die geschichtsträchtigen Bodenschichten des Wiesener Jagdschlosses sind jetzt in einem außergewöhnlichen Dokument festgehalten. Am Montagnachmittag erhielt der Schlosseigentümer, Dr. Ingo Gräfling, ein so genanntes Lackfilmprofil, das in über 300 Arbeitsstunden entstanden ist. Unter Verwendung eines Kunstharzes und Glasfasermatten wurden in einem aufwändigen Verfahren die äußerste, angeschnittene Lage einer Schichtenfolge im aufgegrabenen Kellergewölbe auf filmbildenden Lack haftend aufgenommen.

Das einzigartige Ergebnis ist nun in einem 170 auf 60 Zentimeter großen Profilkasten als substanzgetreues Bild zu sehen. Die Bodenprofile sind somit aussagekräftige Zeitzeugen, welche die gesamte Entstehungsgeschichte von der natürlichen Bodenbedeckung bis zum heutigen Bauwerk darstellen.

Zwei Zentner schwer

Bearbeitet wurde das über zwei Zentner schwere »Sedimentbuch« von Diplom-Geograf Jürgen Jung, Mitarbeiter des Archäologischen Spessartprojekts und des Forschungsinstitutes Senckenberg in der Außenstelle Biebergemünd.

Die Idee, die Geschichte des Wiesener Baudenkmals in dieser Form zu konservieren, entstand bei den fortlaufenden archäologischen Ausgrabungen im Schloss von Wiesen. An den Ausgrabungen war der Archäologe und Kunsthistoriker Harald Rosmanitz maßgebend beteiligt. Der Leiter des Europäischen Koordinationsbüros »Pathways to Cultural Landscapes« in Lohr stellte seine wissenschaftlichen Forschungen ebenso wie Jürgen Jung in die Dienste des Archäologischen Spessartprojektes.

Mehrere Brände zu erkennen

Vom Buntsandsteinboden über einen Ackerboden mit Scherben und Ziegelsteinen über eine Ausgleichs schiebt aus Ziegeln bis hin zum Fußboden des heutigen Schlosses »erzählt« das Lackfilmprofil eine erstaunliche Geschichte. Mehrmals hat ein Brand des Schlosses eine aschehaltige Schicht hinterlassen, die von groben Steinen überdeckt wurde, um den Untergrund für einen Wiederaufbau vorzubereiten.

Außer den ergrabenen Strukturen stellen Aufsehen erregende Funde der jüngsten Zeit, wie Keramikbruchstücke, Glasscherben und Münzen die Ortsgeschichte der Gemeinde Wiesen und die Besiedlung des Spessarts im Spätmittelalter in ein völlig neues Licht. Das Wiesener Schloss aus der Renaissance (erbaut 1597) hatte Vorgängerbauten, dessen ist sich Harald Rosmanitz sicher. An der Stelle des momentan freigelegten Kellergewölbes stand auf einem Hügel ein

»steinernes Haus von hohem sozialen Niveau, das nach 1400 systematisch mit Erdreich zugeschüttet wurde«, erklärt der Kunsthistoriker. Das Aufschüttungsmaterial im Keller stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einer Hangabtragung zur nebenliegenden Kapelle, der heutigen barocken Pfarrkirche »St. Jakobus«. Offensichtlich bestand hier schon der Plan zum späteren Schlossbau. Das umzäunte Steinhaus mit Wohnturm und ebenerdigem Türeingang diente nicht der Vertilgung und dürfte das älteste Haus der Siedlung gewesen sein.

Vorzeigbarer Wohlstand um 1300

Steinhäuser dieser Art lassen sich, wie registrierte Beispiele in Amorbach oder Rosenheim bei Straßburg belegen, in die Zeit um 1300 einordnen und weisen in der Spessartgegend auf einen vorzeigbaren Wohlstand hin. Eine ähnliche Fensternische wie sie im Wohnturm des Wiesener Steinhauses nachgewiesen wurde, ist für das Jahr 1350 beschrieben.

Das Lackfilmprofil gibt Aufschluss über diese Vergangenheit und bewahrt sie in Form eines Bodenschichtenreliefs für die Nachwelt. Neben den Fundstücken aus dem Wiesener Schloss wird es in Zukunft an seinem ursprünglichen Ort und bei öffentlichen Veranstaltungen der Öffentlichkeit zugänglich sein, kündigte Dr. Ingo Gräfling an.

 

Nach intensiver Bearbeitung kehrte das Lackfilmprofil des Wiesener Schlosskellers am Montag an seinen Ursprungsort zurück. Es zeigt die originalen Boden- und Kulturschichten. Bearbeitet wurde es von Diplom-Geograf Jürgen Jung (links außen, kniend) vom Senckenberg-Foschungs Institut in Biebergemünd. Frank Wünsche aus Görlitz, Schlossherr Dr. Ingo Gräfling aus Aschaffenburg, Kunsthistoriker Harald Rosmanitz aus Lohr und Bauhelfer Eustachio Scialpi aus Wiesen (von links) tragen das zentnerschwere »Dokument« die Schlosstreppe hinauf.

Foto: Doris Pfaff


 
design: Kai M. Wurm
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