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Lohrer Echo, 20.06.2002

Uralte Frammersbacher Kulturlandschaft bei einer Exkursion neu entdeckt

Cassebeer-Gesellschaft führte zu bedeutenden Reliktformen der Wässerwiesen

Frammersbach Eine Exkursion der besonderen Art hatte die Johann Heinrich Cassebeer-Gesellschaft (JHCG) am vergangenen Wochenende im Lohrtal nördlich von Frammersbach angeboten. Diplom-Umweltwissenschaftler Thomas Michl und Diplom-Geograph Jürgen Jung, beide von der Forschungsstation für Mittelgebirge in Biebergemünd-Bieber, führten sachkundig durch Rinderbachtal und Lohrtal, wo sie an ausgewählten Abschnitten die alten Techniken der Wässerwiesen und Hangrieselwiesen erklärten.

Beide Formen der Be- und Entwässerung von Talwiesen stellen uralte Techniken der Intensivierung von Mähwiesen dar. Weil der Wald seit alter Zeit für die Spessartbevölkerung für landwirtschaftliche Nutzung weitgehend tabu war, mussten die Menschen aus den vorhandenen Offenlandflächen mehr herausholen, wenn sie überleben wollten.

Das Be- und Entwässern von Wiesen wurde im Siegerland entwickelt. Man spricht daher in diesem Zusammenhang auch von »Siegener Rücken«. Die Technik besteht bei beiden Verfahren in der geschickten Verteilung von Bachwasser auf den Wiesen. Bei den Wässerwiesen werden quer zum Tal schmale Rücken mit Waschbrettmuster angelegt, zwischen denen Gräben das Wasser ableiten. Die Zuleitung erfolgt auf der Rückenlinie der konvexen Wieseneinheiten, von wo das Wasser nach den Seiten abfließt. Auch bei den Hangrieselwiesen mussten bedeutende bauliche Veränderungen vorgenommen werden.

Der Bach wurde am höchsten Punkt angezapft, möglichst an der Quelle. In einem Kanal führte man das beigeleitete Wasser mit geringem Gefalle am Hang entlang. Bis zu drei übereinander liegende Bewässerungskanäle entstanden beispielsweise im Unterlauf des Rinderbachtales.

Dabei kam es sogar vor, dass eine Ableitung gegen die Laufrichtung des Tales geschaffen wurde.

Früher Vegetationsbeginn

Einfachste Regelmechanismen verteilten das Wasser auf die Wiesen. Dabei konnten Steine oder auch Schiebebretter eingesetzt werden. Es ist nachgewiesen, dass durch Wässerwiesen und Hangrieselwiesen mehrere Schnitte (Heu- und Krummeternten) pro Jahr möglich wurden.

Ein erster Vorteil für die Produktion ergab sich durch die Frühjahrsbewässerung, die gleich nach der Schneeschmelze stattfand. Dadurch kam es zu einer raschen Erwärmung des Bodens und verbunden damit zu einem früheren Vegetationsbeginn. Weiterhin waren durch die Wasserbeileitung die notwendigen Nährstoffe in einem steten Fluss und standen den Wiesenpflanzen jederzeit zur Verfügung. Auch die Tatsache, dass die Wiesenpflanzen während der gesamten Zeit des Aufwuchses permanent Wasser zugeführt bekamen, sicherte eine größere Ernte, als wenn Wind und Wetter die Regie übernommen hätten.

Der Biologe Michl betonte über die rein wirtschaftlichen Gesichtspunkte hinaus, dass die Wässer- und Hangrieselwiesen früherer Zeit eine deutlich größere Biodiversität aufgewiesen hätten. Es habe nämlich trockene (auf den Rücken) und feuchte Bereiche (in den Gräben) auf engstem Raum nebeneinander gegeben. Wechselfeuchte Wiesen hätten sich mit feuchten abgewechselt und einer jeweils typischen Flora und Fauna einen spezifischen Lebensraum geboten.

Einige Forscher sind der Überzeugung, dass das zeitliche Zusammentreffen der Aufgabe der Rückenwiesenwirtschaft mit dem Aussterben der Flussperlmuschel durchaus kein Zufall sei. Die einstige Wasserab- und -Zuleitung könnte zu einem gänzlich anderen Chemismus im Lohrbach geführt haben, was wiederum dem Filtrierer Perlmuschel andere (bessere) Lebensbedingungen geboten habe.

Zum Teil schon seit Jahrzehnten liegen nun die alten Rückenwiesen und Hangrieselwiesen brach, einige werden nur gelegentlich gemäht oder beweidet. Vielerorts, wo keine Nutzung erfolgt, stellt sich eine Hochstaudenflur aus Mädesüß und Drüsigem Springkraut ein, andernorts entfalten sich Sumpfkratzdistelwiesen. Die Wasserbauwerke verfallen allmählich.

Die Exkursionsteilnehmer konnten sogar zwei Kreuzottern beobachten, die einige aus den Fugen geratenen Steinquader eines ehemaligen Wasserwehres besiedeln. Das Waschbrettmuster der Wässerwiesen ist im Frammersbacher Lohrtal besonders im Winterhalbjahr noch sehr schön zu erkennen, wenn die Vegetation am Boden liegt und sich die Bodenformen gut abbilden. Der Reisende, der sich Frammersbach auf der Bundesstraße 276 von Flörsbachtal kommend nähert, kann die regelmäßigen Rücken und Gräben sogar vom Auto aus erkennen.

 

Diplom-Geograph Jürgen Jung schlägt ein Gerät zur Untersuchung des Untergrundes in den Boden, um zu beweisen, dass unter der humusreichen Oberbodenschicht Sande und Lettenbänder den Talgrund ausfüllen. Dieses Experiment diente der Veranschaulichung der Rückenwiesentechnik, die im Lohrtal bei Frammersbach schöne Ausformungen erhalten hat.


 
design: Kai M. Wurm
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