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27.04.2003

Unter dem Pflaster liegt Geschichte - Neue Erkenntnisse zum alten Frammersbach

Im Rahmen der Neugestaltung des Vorplatzes vor dem Fuhrmanns- und Heimschneidereimuseum in Frammersbach/Spessart bot sich im April 2003 die Möglichkeit, eine Fläche auf Spuren aus der Zeit vor dem 19. Jahrhundert zu untersuchen. Durch Neupflasterung, Kanalisierung und die Anlage von Pflanzbereichen war eine Störung des derzeit unbebauten Areals zu erwarten. Auf einer Fläche von ca. vierzig Quadratmetern konnten spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Besiedelungsspuren erforscht und dokumentiert werden. Die baubegleitende Maßnahme fand auf Initiative des Museumsvereins und des Archäologischen Spessart Projekts mit Unterstützung des Europaprojektes "Pathways to Cultural Landscapes" statt und wurde vom Markt Frammersbach gefördert.

Das Grabungsareal liegt in einer der archivalisch bezeugten Siedlungskammern, aus denen sich in Folge der Markt Frammersbach im Spessart entwickeln sollte. Seine Lage ist charakterisiert durch die Nähe zur Fernstraße Gelnhausen-Lohr und zum angrenzenden Lohrbach. Die dendrochronologische Analyse im Museumsgebäude gab Anlass zur Vermutung, dass auf dem nicht unterkellerten Vorplatz Siedlungsspuren des beginnenden 17. Jahrhunderts zu erwarten waren.

Doch reichten die Siedlungsspuren wesentlich weiter zurück: Schon eine erste Sondage legte unter zwei Steinpflastern des 17. und 19. Jahrhunderts eine meterdicke, mit Werkstattabfällen durchsetzte Schicht frei. Hangwasser und der unweit des Anwesens gelegene Lohrbach hatten über Jahrhunderte die Feuchtigkeit im Erdreich bewahrt, so dass eine beträchtliche Anzahl von Holz- und Lederresten zu Tage gefördert werden konnten. Anhand der Keramik konnte diese Schicht in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts datiert werden.

Die Schicht selbst schloss nach oben mit planiertem und festgestampftem Hüttenlehm ab. Da Spuren von Brandeinwirkung im gesamten Untersuchungsareal angetroffen werden konnten, spricht einiges dafür, dass gegen 1450 das gesamte Areal einer Brandkatastrophe zum Opfer fiel. Die darunter liegenden, bis zu einem Meter mächtigen Verfüllschichten überdeckte eine grobe Pflasterung aus Sandsteingeröll. Diese wiederum lagerte auf einer homogenen und fundleeren Lehmschicht.

Ein mächtiges, mehr als zwei Meter langes Kantholz und zwei nur noch etwa 50 Zentimeter hoch erhaltene Pfosten sowie das Fehlen von Ziegeln sprechen dafür, dass das untersuchte Gelände seit seiner ersten Aufsiedelung zumindest teilweise mit stroh- oder schindelgedeckten Schuppen überbebaut war. Mit aller Vorsicht und vorbehaltlich der noch ausstehenden dendrochronologischen Untersuchungen kann mittels der geborgenen Keramik der Beginn dieser Bebauung an das Ende des 14. Jahrhunderts datiert werden. In den darauf folgenden fünfzig Jahren hatten die Bewohner ständig mit Hangwasser zu kämpfen. Hinzu kamen Überflutungen aus dem benachbarten Lohrbach. So ist es verständlich, dass man bemüht war, sich nach oben ins Trockene zu siedeln. Gleichzeitig war man auch von Aufschwemmungen vom benachbarten Hang nicht sicher. Diese führten mehrfach dazu, dass das gesamte Gelände mit einer bis zu zwanzig Zentimeter hohen Lehm- oder Sandschicht überdeckt wurde. Da sich die Funde in den einzelnen Schichten kaum voneinander unterscheiden, müssen diese unbeabsichtigten Auffüllungen kurz hintereinander erfolgt sein.

Das aufgedeckte Areal mit seinen für den Spessart bisher einzigartigen Befunden und Funden erhält seine Bedeutung für die Region aufgrund der Nähe zu einem ganzjährig wasserführenden Bach, an dessen Ufern sich auch damals schon zahlreiche Wassermühlen befunden haben dürften. Dies in Kombination mit der Nähe zu einer stark frequentierten Handelsstraße mit direkter Anbindung an Main und Rhein ließ gute Geschäfte zu und führte dazu, dass man sich dafür entschied, diesen Wirtschaftsstandort trotz aller Widrigkeiten über ein halbes Jahrhundert hinweg beizubehalten.

Der hohe Lebensstandard manifestiert sich nicht nur in den zahlreichen Schweine- und Rinderknochen. Im Fundmaterial befindet sich auch vergleichsweise viel Importkeramik, darunter Fragmente von Trichterbechern aus Siegburg bei Bonn und Nischenkacheln sowie Keramik aus Dieburg bei Frankfurt. Dieser Luxusgüter, zu denen auch ein Aquamanile zurechnen wären, gehörten nicht etwa Adeligen sondern Handwerkern. Ihre Hinterlassenschaften lassen auf gleich ein halbes Dutzend unterschiedliche Berufe schließen: Direkt am Ort saß mit Sicherheit ein Küfer oder Böttcher. Zahlreiche an den Enden jeweils schräg abgebeilte Holzplättchen und Fassböden sprechen dafür eine deutliche Sprache. Die Fassmacherei dürfte auf diesem Areal den Tagesablauf geprägt haben. Halbfabrikate von Daubenschalen und zwei hölzerne Löffel lassen vermuten, dass an dieser Stelle auch ein Drechsler arbeitete. Schmiedeschlacke sowie durch die Feuchtigkeit vorzüglich erhaltene Teile von Hufeisen, Nägeln, Scheren, Messern und anderen Werkzeugen legen die Tätigkeit eines Schmiedes nahe. Halbfabrikate von Schuhen, Gürteln und Beuteln deuten darauf hin, dass auch ein Schuster vor Ort war. Glasschlacke und Fragmente von Glashafen, also Töpfe, in denen Glas geschmolzen wurde, lassen weiterhin den Schluss zu, dass auch ein Glasmacher nicht weit entfernt seine Glashütte betrieb. Das Halbfabrikat eines Mühlsteins spricht schließlich für einen weiteren Handwerker in unmittelbarer Nähe: den Steinmetzen.

Das Areal vor dem Fuhrmanns- und Heimschneidereimuseum in Frammersbach wirft ein neues Licht auf den Spessart an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Die Dichte von gewerblicher Tätigkeit in Verbindung mit zahlreichen wassergetriebenen Mühlen sprechen für eine intensive, fast schon industrielle Nutzung der Gegend. Die intensive Besiedelung in Verbindung mit holzverbrauchenden Werkstätten wie Fassmachern, Schmiden oder Glasmachern dürfte schon bald zur Rodung des umliegenden Waldes geführt haben - und trug damit wohl auch entscheidend zu den archäologisch nachgewiesenen Erosionsschäden bei.

Neben der Klärung zur Frage der Vorgeschichte des Museumsbaus und zur Geschichte des Marktes Frammersbach konnte durch die Bauuntersuchung erstmals im Spessart der Einfluss des Menschen am Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit auf seine Landschaft eingehend untersucht werden. Das archäologische Fundmaterial kann in Menge und Qualität den Fundspektren reicher Burgen und Adelssitzen wie in Partenstein oder in Wiesen zur Seite gestellt werden. Es wäre noch zu klären, in wieweit der frühindustrielle Boom im Hinterland das Aufblühen der umliegenden Städte zur Folge hatte.

Das Areal wurde nach Abschluss der Untersuchung verfüllt. Damit bleibt unter der Oberfläche ein Großteil des ehemaligen Handwerksareals für künftige Forschungen erhalten. Die Funde aus der Grabung werden nun für das Museum aufgearbeitet, das eine Präsentation der Untersuchungsergebnisse und des Fundmaterials sowie eine ausführliche Publikation plant.

 


The archaeological site in front of the Museum of Frammersbach


The excavation


Profile with different layers of the beginning of the 15th century


Rests of a wooden constructure


An iron tool with wooden handle from the first half of the15th century in situ.


Rests of a shoe from the first half of the15th centurie


The excavation site


Officials


At work


Daniela Mayrock documenting the wooden structure


Imported pottery from Siegburg next to Cologne


More late medieval pottery


 
design: Kai M. Wurm
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