Abschlußbericht
Deutsch-Estnische Projektwoche "Auf den Spuren der Vergangenheit"
vom 27. 10. 2002 bis zum 1.11. 2002 im AÖZA Albersdorf
Teilnehmer
26 estnische Schülerinnen, dazu zwei Lehrerinnen und zwei Busfahrer;
20 deutsche Schülerinnen und Schüler, dazu eine Lehrerin; Betreuer
des Fördervereins AÖZA und der wissenschaftliche Projektleiter Dipl.-Prähist.
Rüdiger Kelm sowie Helle Solnask M. A. vom Estnischen Landesamt für
Denkmalpflege in Tallinn.
Hintergrund
Seit 1999 führt der Förderverein für das Archäologisch-ökologische
Zentrum Albersdorf (AÖZA) pädagogische Programme im Bereich der praktischen
Geschichts- und Umweltbildung durch.
Die Programme finden im Bereich des ca. 40 ha großen Geländes des
AÖZA statt; auf diesem Gelände befinden sich neun originale archäologische
Denkmäler aus der Stein- und Bronzezeit und verschiedene Landschaftsbereiche
(Wald, Feuchtgebiet, Offenland); Ziele des AÖZA sind die bestmögliche
Rekonstruktion einer vorgeschichtlichen Kulturlandschaft und einer Siedlung
der Zeit vor ca. 5.000 Jahren auf wissenschaftlicher Grundlage und die Errichtung
eines Informationszentrums. Seit Mitte 1997 arbeitet das AÖZA an der Landschaftsgestaltung
und seit 2000 an dem Bau der "Steinzeitsiedlung"; die Anträge
für den Bau des Informationszentrums sind gestellt worden.
Inhalte der Deutsch-Estnischen Projektwoche
Das Projekt "Auf den Spuren der Vergangenheit", das vom Förderverein
AÖZA in Zusammenarbeit mit einer 11. Schulklasse der Tallinner Altstadtschule
und einer 11. Gymnasialklasse des Werner-Heisenberg-Gymnasiums in Heide durchgeführt
wurde, basiert dabei im wesentlichen auf dem seit 1999 in Kooperation mit dem
Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) durchgeführten und bewährten Wochenprogramm.
Dieses Programm ist im Rahmen einer intermusealen Zusammenarbeit in Schleswig-Holstein
mit dem Namen "Projektklassen zum Kulturerbe in Schleswig-Holstein"
mit Unterstützung und Beratung des Kieler Kultusministeriums (Museumsreferat)
und dem Institut für Praxis und Theorie der Schule (IPTS) entwickelt worden.
Durch die Begegnung der estnischen und deutschen Schulklasse sollten Vergleiche
der jeweils heimischen Urgeschichte (mit Schwerpunkt Steinzeit) möglich
sein und Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden.
Methoden
Besonders wichtig ist für das AÖZA beim Wochenprogramm - und dann
auch bei der Deutsch-Estnischen Projektwoche - die Verbindung von Theorie und
Praxis, die fachlich fundierte inhaltliche Einführung auf der einen Seite
und die unmittelbare Erfahrbarkeit und emotionale Erlebbarkeit von Geschichte
auf der anderen Seite. Als didaktische Methoden wurden gewählt: Vortrag,
Geländererkundung, Exkursion zur Landschaftskenntnis Dithmarschens, Referate
der Schülerinnen und Schüler, gemeinsame Arbeit in gemischten Gruppen
mit Anfertigung von Protokollen sowie Diskussionen.
Zeitplan
In groben Zügen gab es folgenden Ablauf:
1. Tag: Ankunft;
2. Tag: Treffen der estnischen und deutschen Schulklasse, thematische Einführung
in das Thema; archäologische Wanderung in Albersdorf;
3. Tag: Ganztägige Exkursion für die Esten in Dithmarschen;
4. Tag: "Steinzeitrallye" im AÖZA-Gelände; Referate der
estnischen und deutschen Schülerinnen und Schüler über die Landschaft
und Archäologie ihrer jeweiligen Region; abends gemütliches Beisammensein
in der JH;
5. Tag: Ganztägige gemeinsame Ausgrabung auf einer präparierten
Fläche sowie Durchführung von praktischen Arbeiten (Flintschlagen
und Lederbearbeitung); anschließend gemeinsame Auswertung;
6. Tag: Abschied und Abfahrt.
Ziele und Erwartungen
Ziel der bilateralen Projektwoche war das Kennenlernen archäologischer
Geländedenkmäler, die mit den Anlagen, die es in Estland gibt, verglichen
werden sollen, die Vermittlung praktischer Kenntnisse zu prähistorischen
Handwerkstechniken, die für ganz Europa kennzeichnend waren, und die Vermittlung
und Sensibilisierung für den frühen Einfluss des Menschen auf die
Gestaltung der Natur und Umwelt; durch diesen internationalen Rahmen konnten
Vergleiche gezogen, Unterschiede herausgearbeitet werden und ein intensiver
Dialog mit einem Ausblick auf gegenwärtige und zukünftige Fragen und
Probleme im Bereich des europaweiten Denkmal- und Umweltschutzes begonnen werden.
Eine weitere Erwartung war, dass sich dauerhafte Kontakte sowohl der Schüler
untereinander als auch der beteiligten Schulen aus diesem Treffen ergeben mögen.
Vorbereitung
Die Kontakte nach Estland konnten über eine bereits bestehende Kooperation
des AÖZA mit dem Estnischen Nationalen Denkmalamt in Tallinn über
Herrn Dr. Ants Kraut und Frau Helle Solnask M. A., die auch während der
Projektwoche in Albersdorf anwesend war, hergestellt werden. Bei dieser Kooperation
handelt es sich um ein von der Kulturkommission der Europäischen Union
im Rahmen des Programms "Culture 2000" über drei Jahre gefördertes
Projekt mit dem Titel "Pathways to Cultural Landscapes ", an der sich
insgesamt 12 Partner und 10 Länder beteiligen. Das AÖZA ist in diesem
Projekt der verantwortliche und federführende Projektpartner.
Über Frau Solnask und Herrn Kraut wurden die Kontakte zum Tallinner Altstadtgymnasium
ermöglicht, wo wir sehr schnell in Frau Märe Rais, einer Geschichtslehrerin,
und Frau Anu Aero, einer Deutschlehrerin, Kooperationspartner fanden. Der größte
Teil der praktischen Absprachen wurde völlig unproblematisch über
E-Mail getroffen.
Die Organisation des Reisebusses wurde von estnischer Seite durchgeführt,
die Unterkunft und alle weiteren praktischen Fragen in Deutschland wurden über
das AÖZA geregelt. Alle diese Schritte wurden in enger gegenseitiger Absprache
getroffen.
Die inhaltliche Einführung der Esten in das Thema des Treffens wurde
von Frau Solnask und Herrn Kraut übernommen, die mehrere Veranstaltungen
im Tallinner Gymnasium mit den Schülerinnen durchgeführt haben. Auf
dieser Grundlage wurden die Referate der Esten vorbereitet und anschließend
ins Deutsche übersetzt.
In Deutschland wurde eine ebenfalls 11. Gymnasialklasse aus dem Kreis Dithmarschen
am Werner-Heisenberg-Gymnasium in Heide gefunden; eine Kooperation zwischen
der Heider Schule und dem AÖZA gab es bereits vorher, so dass auch hier
die Vorbereitungen ohne Probleme abliefen und mit Frau Bäumler, einer Geschichtslehrerin,
eine engagierte Kooperationspartnerin gefunden wurde. Rüdiger Kelm führte
dann in Heide die Schüler in das Thema ein und bereitete die Referate über
norddeutsche Archäologie und Dithmarschen gemeinsam mit den Schülern
vor.
Durchführung
Die Mitarbeit das Interesse und das Engagement aller Teilnehmer waren sehr
groß; einzig und allein problematisch waren die sprachlichen Barrieren,
da nur wenige estnische Schülerinnen gut Deutsch verstehen und sprechen
konnten und die deutschen Schüler - auch wegen der nicht entsprechenden
Vorbereitung - teilweise Probleme mit Englisch hatten, das von vielen als gemeinsame
Kommunikationsbasis genommen wurde.
Nachbereitung
Eine Nachbereitung gab es sowohl vor Ort:
1. Besprechung der Probleme und Wünsche der Jugendlichen bei der Steinzeitrallye
2. Gemeinsame Besprechung der Arbeitsergebnisse am letzten Tag und schriftliche
Zusammenfassung,
als auch nach Abschluss der Woche:
Fachgespräche mit allen Lehrerinnen und mit Frau Solnask vom Denkmalamt
in Tallinn.
Es wurde überlegt, dass die Lehrer die Jugendlichen nach ihren Eindrücken
befragen - vor allem auch in Hinblick auf diese ungewohnte Form der internationalen
Zusammenarbeit.
Zielerreichung
- Ergebnisse:
- Die Schüler haben sich untereinander kennengelernt (Abbau von
Vorurteilen etc.; viele der deutschen Schüler haben sich zum ersten
Mal in ihrem Leben mit dem Thema "Estland/Baltikum" beschäftigt);
- Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der europäischen Vorgeschichte
vor allem in der Stein- und Bronzezeit wurden in Form von Referaten herausgearbeitet
- Im Rahmen der praktischen Arbeiten wurde der frühe menschliche
Einfluss auf die Umwelt kennengelernt;
- Etablierung von Kontakten der Schulen. Die Esten sind dabei sehr an
einer regelrechten Partnerschaft interessiert, die deutsche Schule war
dabei etwas zurückhaltender, da es bereits mehrere Partnerschaften
gebe und die estnische Sprache für deutsche Schüler nur von
geringem Interesse ist.
- Anerkennung und öffentliche Aufwertung der pädagogischen
Arbeit des AÖZA in der Phase seines Aufbaus.
Der Erfolg dieses Projektes, dass das AÖZA zum ersten Mal in einer
solchen Form durchgeführt hat, ist somit einerseits materiell ablesbar:
verschiedene Berichte und Protokolle, vor Ort hergestellte Geräte,
überarbeitete "Seinzeitrallye" für Jugendliche; andererseits
wird unserer Meinung nach der tiefer gehende Erfolg erst langfristig zu
erkennen sein, wenn die Kontakte zwischen den Schulen bestehen bleiben und
ein Gegenbesuch der deutschen Schüler in Estland stattfindet, was allerdings
beim Heider Wemer-Heisenberg-Gymnasium nur schwer möglich zu sein scheint.
Der Förderverein AÖZA wird sich im Kreis Dithmarschen - in enger
Absprache mit dem Tallinner Altstadtgymnasium - auch zukünftig um potentielle
Partnerschulen bemühen, da das Interesse von estnischer Seite an einem
solchen Austausch sehr groß ist.
- Resonanz aller Beteiligten/Beobachtungen:
Die Resonanz auf das Projekt war sehr positiv. Problematisch waren lediglich
die Sprachbarriere und die unterschiedlichen Erwartungshaltungen der beiden
beteiligen Schulen hinsichtlich der Möglichkeit der Einrichtung einer
langfristigen Partnerschaft.
Bei Durchführung eines solchen Programms in der Zukunft muss unserer
Erfahrung nach vor allem intensiver auf die sprachlichen Voraussetzungen
geachtet werden bzw. die Vorbereitung ggf. auch auf Englisch durchgeführt
werden.
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Langfristige Auswirkungen:
- Mögliche Patenschaft mit einer Schule in Dithmarschen und dem
Tallinner Altstadtgymnasium;
- Sensibilisierung der deutschen Schülerinnen und Schüler für
das bisher beinahe unbekannte Thema "Estland/Baltikum";
- Sammeln von praktischen Erfahrungen für mögliche zukünftige
Austauschprogramme im Rahmen des EU-Projekts "Pathways to Cultural
Landscapes", in dem die Intensivierung der Pädagogik ein wesentliches
Ziel der Arbeit der nächsten Jahre sein wird.
Anschlussperspektive
Denkbar ist eine Fortsetzung des Projektes zu späterer Zeit mit jeweils
neuen Schülern.
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